Blockaden in Konfliktlösungsszenarien – Herausforderung versus Problem (Teil 3)

Das Bestehen von Differenzen ist nicht das Problem, denn Differenzen machen an sich noch keinen Konflikt zwischen Menschen aus. Es kommt einzig darauf an, wie die Menschen Differenzen erleben und mit ihnen umgehen.

Unvereinbare Gegensätze

Einige Situationen leben von Konfliktpotenzialen oder vom steten Wechsel der Polaritäten. „Das Bestehen von Differenzen ist also gar nicht das Problem, denn Differenzen machen an sich noch keinen Konflikt zwischen Menschen aus. Es kommt einzig darauf an, wie die Menschen Differenzen erleben und mit ihnen umgehen.“ (F. Glasl, 2015, S. 23)

Das Modell der Eskalationsstufen zeigt in den unteren Stufen (bis Stufe 2) eine Verhärtung der sachlich begründeten Standpunkte, begleitet von einer Polarisierung des Denkens, Fühlens und Wollens.

Wenn Differenzen im sachlichen Kontext bestehen, dann drücken die unterschiedlichen Sichtweisen verschiedene Aspekte des Problems aus und runden so das Bild ab. Man kann die Sache von vielen Blickwinkeln aus betrachten und sie auch unterschiedlich erleben oder verstehen. Wenn sich die Sichtweisen absolut nicht decken und völlig konträr liegen, erleben Menschen dies oft als unüberbrückbare Gegensätze. Situation dieser Art verlangen womöglich nach einem Kompromiss, um beide Seiten einzubeziehen. Keine der Konfliktparteien geht dann als Gewinner hervor. Insofern haben beide Sichtweisen ihre Berechtigung und sind weder wahr noch falsch. Hier entscheidet allein der Wille zum Kompromiss ob es zu einer Auflösung des Konfliktes kommt oder nicht. Glasl verwendet in seinen Lösungsansätzen Metaphern für die gegensätzlichen Positionen und nennt sie Licht- bzw. Schattenseiten. Dabei greift er die natürlichen Spannungsverhältnisse einer Situation auf und veranschaulicht diese durch ebenso polarisierende Charakterisierungen (vergl.: F. Glasl, 2015, S. 72). Diese Methodik kann für Personen wie Gruppen gleichermaßen eingesetzt werden.

Im weitesten Sinne haben wir es im täglichen Umfeld (privat wie beruflich) ebenfalls mit Metaphern zu tun. Beispielsweise kann man das Konkurrenzdenken aus den Bildern für Kampf oder Krieg ableiten. Diese Bilder haben sich in der Gesellschaft derart gefestigt, dass wir sie als Selbstverständlichkeit wahrnehmen. Wie weit sich dieser Kampf ausweitet, wird von den eigenen Motivationen bestimmt bleiben. Es kann bedeuten, den Gegner zu besiegen und leben zu lassen oder ihn völlig zu vernichten und auszulöschen. Die Definition von Erfolg oder Sieg besitzt in dem Fall mehrere Perspektiven. Die Unternehmenskultur, wie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem Unternehmen umgegangen wird, kann zwischen „entfalten lassen“ und „ausbeuten“ balancieren.

Wie ein soziales Umfeld, insbesondere das Arbeitsklima, aussehen kann, ist der Imagination jedes Einzelnen überlassen. Alles Denkbare und Vorstellbare kann realisiert werden. Jede Art des Zusammenlebens oder -arbeitens ist denkbar. Dasselbe gilt für die Strukturen und Normen einer Gesellschaft. Viele Normen und Regeln, sowie der gemeinschaftliche Wertekanon, sind Errungenschaften des gesellschaftlichen Wandels auf Grund von hohem Engagement Einzelner oder einer Gruppe von Menschen. Aber wie konnten diese Menschen die vielen Hindernisse auf diesem Weg überwinden? Woher nahmen sie die Kraft für ihr Handeln?

Blockaden überwinden

Seit mehr als zehn Jahren gewinnt eine neue Wissenschaft immer mehr an Bedeutung: die soziale Neurowissenschaft. Das Gehirn ist ein soziales Organ. Das ist eine erstaunliche Erkenntnis der Forschung im Rahmen dieser neueren Disziplin. „Es sollte mehr betont werden, dass wir Menschen (und unsere Gehirne) für unsere Entwicklung und für ein erfülltes Leben andere Menschen brauchen, […]. Das Gehirn ist eben ein soziales Organ.“ (S. Schmitt, 2008, S. 158) Daniel Goleman formuliert diesen Zusammenhang so: „Am bemerkenswertesten ist die Tatsache, dass das soziale Gehirn das einzige biologische System in unserem Organismus ist, das uns andauernd an den Menschen ausrichtet, mit denen wir zusammen sind, und das zugleich von deren innerem Zustand beeinflusst wird.“ (D. Goleman, 2008, S. 19) „Die Art und Weise, wie wir mit anderen in Beziehung treten, hat also eine unvorstellbare Bedeutung.“ (D. Goleman, 2008, S. 20)

Da wir uns ständig an anderen Menschen ausrichten und diese wiederum an uns, haben die abstrakten Bilder und archetypischen Verhaltensmuster einen Einfluss auf die gegenseitige Beziehung. Entdecken wir gegensätzliche Vorstellungen, die mit den unsrigen nicht übereinstimmen, kann dies eine persönliche Herausforderung darstellen, die letztendlich zur Entwicklung von Selbsterkenntnis beiträgt. Glasl sieht diese als wichtigste Voraussetzung für die Konfliktlösung (vergl.: F. Glasl, 2015, S. 132). Wie in vorangehenden Beiträgen ausgeführt, entwickelt sich in einem Team ein kollektiv beeinflusstes Arbeitsklima, dass sie nach den eigenen Regeln und Vorstellungen gestalten können. „Gruppen sind dynamische Handlungseinheiten, die aus verschiedenen Gründen und für verschiedene Zwecke entstehen und sich immer weiterentwickeln und verändern.“ (S. Franken, 2010, S.184)

Obwohl jede Gruppe einmalig in ihrer Dynamik funktioniert, gibt es allgemeingültige Gruppenentwicklungsphasen. Diese werden in 5 Phasen differenziert: (S. Franken, 2010, S.184)

  • Formierung (Forming): Die einzelnen Personen beginnen sich als Gruppenmitglieder wahrzunehmen
  • Strukturbildung (Storming): Rollen und der Status in der Gruppe wird bestimmt (Konfliktphase)
  • Normierungsphase (Norming): Die Beziehungen haben sich etabliert und es wurden Gruppennormen ausgearbeitet (Organisierungsphase)
  • Arbeitsphase (Performing): Das Team entwickelt Leistung
  • Auflösung

Im Zuge dieser Phasen kann ein positives Gruppenklima erarbeitet werden. Dieses ergibt sich allerdings nicht automatisch, selbst dann nicht, wenn man sich akribisch an einem Modell orientiert. Jede Veränderung kann wiederum zu einer neuerlichen Konfliktphase führen, wodurch die getroffenen Vereinbarungen auf ihre Praxistauglichkeit hin erprobt werden. Halten sich alle Teammitglieder an die Regeln? Können sie Differenzen sachlich beilegen? Sind die zu erreichenden Zielvorstellungen ausreichend klar kommuniziert worden und gibt es diesbezüglich auch einen Konsens?

Viele Reibungspunkte können in diesen Phasen entstehen oder auch aufgelöst werden. Um Blockaden in verschiedenster Form in Teams zu beseitigen, ist ein Klima des gegenseitigen Vertrauens erforderlich. „Misstrauen und Angst verhindern in vielen Gruppen, dass sich die Mitglieder gemeinsam auf ein Ziel ausrichten. Die dadurch entstehenden Spannungen sind häufig die Ursache für misslungene Zusammenarbeit. […] Gruppen, die solche Störfaktoren bemerken und bearbeiten, können Blockierungen verhindern. Dadurch wird die Effektivität der Zusammenarbeit gesteigert und die Gruppenenergie kann zum Fließen kommen. Das geschieht leider selten, denn das Hauptproblem in Gruppen besteht darin, dass die Beteiligten Probleme nicht nennen und Klärungen fordern, sondern oft jahrelang unzufrieden zusammenarbeiten, ohne dass jemand den Mund aufmacht.“ (R. Ballreich, S. 2-3)

Diese Blockaden entsprechen den unbearbeiteten Problembereichen und als Folge entsteht in der Gruppe viel Potential für Demotivation. Die Motivationsforschung hat die Bedeutung von Demotivation in der Unternehmenspraxis erkannt und stellt hiermit einen weiteren Erfolgsfaktor in der Teamarbeit in den Focus von Team Building Prozessen: Die Motivation bzw. die Förderung von Motivation und Begeisterung. „Die meisten Führungskräfte und Mitarbeiter sind bereits intrinsisch motiviert und bedürfen daher keiner Förderung durch weitere Motivierung. Bei ihnen kommt es vielmehr auf die Vermeidung und den Abbau von demotivierenden Einflüssen an.“ (R. Wunderer; W. Küpers, 2002, S. 1) Unter Demotivation wird eine Einschränkung, Blockierung oder der Verlust des Leistungsverhaltens durch Motivationsbarrieren verstanden.“ (R. Wunderer; W. Küpers, 2002, S. 10) Einerseits kann die Leistungsbereitschaft von Teams durch nicht bearbeitete latente oder manifeste Blockaden leiden. Sie kann andererseits jedoch mittels motivationsfördernder Maßnahmen oder durch begünstigende Strukturen enorm gesteigert werden.

Der Einfluss von Motivation

„Motivierung ist die Ausrichtung von Menschen auf Handlungsziele sowie die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Handelns, so dass sie Ziele erreichen können.“

(L. Werth, 2010, S. 190)

Rudi Ballreich zeigt in seinem Artikel „Wie entsteht Umsetzungsenergie in Visions- und Strategieprozessen“, dass die einzelnen Teammitglieder auch ausreichend motiviert sein müssen. Dabei geht er auf die Prozessgestaltung zur Motivationsförderung näher ein, wobei er Zwänge im Tagesgeschäft als behindernd feststellt. (vergl.: R. Ballreich) Wie wichtig dabei das Setzen von sinnvollen und herausfordernden – also auch erreichbaren realistischen – Zielen ist, beschreibt Lioba Werth zusammenfassend folgendermaßen: „Durch das Setzen von Zielen können Personen ihrer gewünschten Handlung näherkommen. Zum Gelingen ist es notwendig, sich die richtige Art von Zielen zu setzen: Ziele sollen möglichst herausfordernd, aber erfüllbar und zugleich möglichst spezifisch sein.“ (L. Werth, 2010, S. 215) Wenn solche Ziele gesetzt wurden, erhöht das die Motivation, was sich zugleich in der Intensität der Anstrengungen und der Ausdauer wiederspiegelt.

Die Bedeutung von offener und klarer Kommunikation ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Diese Anforderung richtet sich insbesondere an Führungspersönlichkeiten. Sie können durch den Aufbau einer vertrauensfördernden Atmosphäre für viel Transparenz und Klarheit in den Zielvorgaben und wesentlichen Rahmenbedingungen sorgen. So wird vermieden, dass tiefer liegende Gefühle des Misstrauens oder sogar Angst aufkommen (vergl.: R. Ballreich). Aufkommende Gefühle, insbesondere negative, sind für die Urteilsfindung und somit auch für den Grad der Eigenmotivation essenziell. Das subjektive Empfinden wird als weitere Informationsquelle herangezogen (vergl.: L. Werth, 2010, S. 28). Nicht nur die Faktenlage oder die kommunizierten gegenständlichen Informationen, wirken also auf die Handlungsenergie, sondern auch bzw. vor allem die Emotionen. „Um Energie für die Umsetzung zu bekommen, geht es bei all diesen Aktivitäten darum, vom sachlich-rationalen Denken durchzustoßen zu der seelischen Ebene, wo sich die Beteiligten persönlich betroffen oder angesprochen fühlen.“ (R. Ballreich, S. 4)

Die großen gesellschaftlichen Veränderungen in der Geschichte der Menschheit wurden von Personen bewirkt, die gerade diese enorme seelische Kraft aufbrachten. Man denke dabei an Martin Luther King oder Mahatma Ghandi. Der Einfluss von religiösen Führern, wie z.B. des Dalai-Lama, auf die seelische Konstitution einer Person, mittels einer spirituellen Orientierung, kann Menschen dazu anregen über sich und die eigenen Grenzen hinauszuwachsen. Unter dem Eindruck von positiven Visionen oder Zukunftsbildern, werden die Gefühle angesprochen und sie schaffen eine Bereitschaft zum Engagement, wenn sich diese Bilder mit den eigenen Vorstellungen decken, oder wenn man von diesen überzeugt bzw. begeistert worden ist. Es handelt sich dabei um abstrakte, aber starke Bilder. Diese entspringen dem Imaginationsvermögen des Geistes und diese werden durch positive oder negative emotionale Kräfte begleitet. Sie können vom Willen getragen werden, sich einer Thematik zu stellen oder sie zu ignorieren. Dabei geht es auch nicht um die Frage nach richtig oder falsch, sondern vielmehr darum, ob eine Lösung möglich, denkbar oder wünschenswert ist. „Sachlich werden in Visions- und Strategieprozessen ideale Zukunftsbilder entwickelt und als Leitbilder, strategische Ziele, etc. ausformuliert. Die Aufgabe besteht darin, die MitarbeiterInnen auf der Gefühlsebene so anzusprechen, dass sie Begeisterung erleben und dadurch der Wille erweckt wird, sich engagiert für diese Zukunftsentwürfe einzusetzen. Das kann gelingen, wenn die Beteiligten ihre persönlichen Ideale und Visionen in den gemeinsamen Willensausrichtungen wiederfinden und wenn sie erleben können, was diese geplante Zukunft für sie persönlich bedeuten könnte.“ (R. Ballreich, S. 3)

So kann es gelingen schwierige Herausforderungen zu meistern oder auch latente Problemthemen anzugehen. Die Aktivierung erfolgt dabei nicht ausschließlich über die rationale Ebene, sondern es wird auch das Gefühl angesprochen um Begeisterung für das (gemeinsame) Ziel zu erzeugen. Dabei helfen positive Visionen oder Bilder, die gegebenenfalls alte erworbene und gefestigte Bilder oder Metaphern ersetzen. Positive Gefühle sprechen dabei die Lichtaspekte eines Individuums an, während negative Emotionen die dunklen und verborgenen Schattenenergien verstärken. Wenn sie einmal freigesetzt werden, können sie von Auseinandersetzungen bis zu Kampfeshandlungen, und im Extremfall, zu selbstzerstörerischen Tendenzen verleiten. (Siehe dazu auch den Verlauf im Eskalationsmodell von Glas. Die letzte Stufe endet mit dem Abgrund.) Das in so einem Ausgangsszenario die negativen Emotionen die Oberhand gewonnen haben, ist ganz offensichtlich.

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