Die Menschheit sieht sich seit jeher durch die Gewalten der Natur bedroht. Dazu addieren sich noch moderne, selbstgemachte Krisen und gesellschaftliche Veränderungen wie Wirtschafts- und Finanzkrisen, Revolutionen, Kriege, Wechsel in der politischen Landschaft oder Auswirkungen von technologischem Wandel und Fortschritt wie im Falle der Digitalisierung. Die Menschheit wird einerseits mit den Folgen ihres Einflusses auf Umwelt und Gesellschaftsentwicklung konfrontiert, aber andererseits auch mit ihrer Machtlosigkeit im Bann der Naturgewalten.
Die Natur erscheint dem Menschen primär feindselig oder verbesserungswürdig. Alle Anstrengungen des Menschen, die Natur zu bezwingen, münden in einer ausdauernden Triebkraft nach Fortschritt und Entwicklung. Der Forscherdrang, den Geheimnissen unserer Welt auf die Spur zu kommen, dient dem Bedürfnis nach Erkenntnis und der Suche nach Bedeutung in der Unendlichkeit dieses Kosmos. Der Sinn der Existenz und des Lebens definiert sich einerseits über den Fortschritt, welcher uns einst aus den Untiefen der Erdhöhlen hervorkriechen lies und in die schwindelerregenden Höhen der Stahlbetongebilde hinaufbeförderte. Andererseits streben wir nach Existenzsicherung und Wohlstand. Diesem Ziel, Wohlstand zu generieren, ordnen wir zuweilen unsere gesamte Lebensführung unter.
Metaphern der Rivalität
Für das Überleben muss man kämpfen. Sinngemäß gilt dies auch für unseren Kampf im Bestreben nach Erfolg und Anerkennung. „Im Schweiße deines Angesichts wirst du Brot essen“, liest man in der Genesis. Der Mensch sollte es also nie leicht haben. Seit Urgedenken ist das Überleben des Menschen bedroht, entweder durch die rauen Bedingungen der Natur oder durch ihn selbst – bedingt durch seinen Hang zur Rivalität. Unsere Konflikte zeichnen ein lebendiges Bild unserer inneren Welt. Wir sind zerrissen. Ständig balancieren wir zwischen den scheinbar unvereinbaren Interessen der Wirtschaft und des Fortschritts, den persönlichen Bedürfnissen und den Anforderungen der Gesellschaft sowie dem Erfordernis eines verantwortungsvollen Umgangs mit unserer Umwelt und den natürlichen Ressourcen.
In einem solchen Spannungsverhältnis befinden sich auch Unternehmen. Das Erfordernis wirtschaftlich erfolgreich zu agieren, nachhaltig zu wachsen und anpassungsfähig zu bleiben gleicht einem Balanceakt. Unterschiedliche Interessen müssen laufend in Einklang gebracht werden – die des Unternehmens und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Veränderungsprozesse, als natürliche Folge von Anpassung an veränderte Umstände, verursachen allerdings häufig Spannungen in der Belegschaft. Im Team kommen womöglich Gefühle der Verunsicherung auf. Strukturelle Veränderungen, Umgestaltung der internen Abläufe, oder Rationalisierungsmaßnahmen bieten eine Arena für Rivalitätskämpfe um Positionen, Privilegien oder Befugnisse. Unbeabsichtigt bilden sich plötzlich Fronten einander opponierender Parteien für oder gegen geplante Maßnahmen. Ein Appell an die rationale Ebene, mit rein sachlich begründen Argumenten, bewirkt noch keine Bereitschaft zu einer Veränderung der gewohnten Rahmenbedingungen, selbst wenn Übereinstimmung in Bezug auf die Faktenlage besteht und alle Beteiligten Veränderungen gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt sind.
Interne Machtkämpfe sind zermürbend für das Team und verhärten die jeweiligen Standpunkte. Zu oft werden Einzelpersonen in den Rang der Omega-Position (Rangdynamik-Modell nach Schindler) gedrängt und als Opponenten charakterisiert. Die Erfahrungen beim Ausfüllen dieser Rolle des Rivalen, sind oft gekennzeichnet von Demotivation und Frustration. Letzten Endes scheitern Versuche sich für Veränderungen zu engagieren daran, dass nicht genügend Motivation und Handlungsenergie seitens der Teammitglieder aufgebaut werden konnte. Das Team verharrt schließlich in Ohnmacht auf Grund der vorherrschenden Stimmungslage und der fehlenden Führung. Das Ziel ist in diesem Klima nicht mehr klar erkennbar und verliert an Anziehungskraft. Wenn das Ziel nicht attraktiv genug ist, wird es auch nicht in Angriff genommen. Die Notwendigkeit des Wandels erscheint dann fraglich.
Positive Leitbilder
Aus der Theorie zur Gruppendynamik lässt sich ableiten, dass positive Visionen und Zukunftsaussichten sehr viel zweckmäßiger sind, um einen unvermeidbaren Wandel einzuleiten als sachlicher Argumentationsdruck. Diese Visionen können beispielsweise mittels interner Öffentlichkeitsarbeit vermittelt werden oder auch durch die Ausarbeitung von kurz- und langfristigen Zielvereinbarungen gestützt durch starke Leitbilder. Durch die positiven Botschaften lassen sich auch resignierende Teammitglieder überzeugen, Veränderungen zumindest nicht zu blockieren, damit eben nicht alles so bleibt wie es immer war. Die Anstrengung lohnt sich. Da sich die Bedingungen laufend verändern und die Suche nach neuen Lösungen essenziell für die Weiterentwicklung wird, müssen alte und bewährte Methoden vielleicht abgelöst oder modifiziert werden, selbst wenn diese einmal gut waren. Eine positive Grundstimmung nimmt den einzelnen Beteiligten die Angst, dass geplante Veränderungen eventuell negative Konsequenzen haben könnten, oder Abläufe komplizierter werden. Eine übereinstimmende Vision über die zukünftige Lösung wird allein auch schon deshalb benötigt, um Vorgesetzte zu überzeugen sich für diese Ziele in den nächst höheren Ebenen einzusetzen. Sie müssen die Vision mittragen und ebenfalls zu Botschaftern in ihrer eigenen Hierarchiestruktur werden. Erst dann, wenn Emotionen angesprochen wurden, wird die Argumentation mittels Fakten auch tiefer dringen und den Wunsch wecken, tatsächlich etwas gegen die entstandene Problematik oder einen Missstand zu unternehmen.
Die in dieser Abhandlung erörterten Modelle, erleichtern eine methodische Auseinandersetzung mit den komplexen sozialen Interaktionen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Aber auch Modelle entsprechen abstrakten Welten, die nur Teilbereiche systematisch beleuchten können. Da die Bedeutung der Beteiligung von Emotionen aus jedem Modell hervorgeht, diese dadurch aber weder erklärt noch hinreichend beschrieben werden können, muss jeweils mit viel Feingefühl und auch einer gewissen Erfahrung agiert werden. Modelle helfen bei der Einschätzung des Grades eines Konfliktes. Der Fortschritt der Eskalation wird einschätzbarer. Die Bedeutung von Begeisterung findet man in den Modellen jedoch nicht hinreichend abgebildet. Man könnte Begeisterung annähernd als emotionalisierte Vision bezeichnen. Eine Vision allein drückt aber noch nicht aus, wie sehr jemand für eine Sache brennt und wie sehr man bereit ist, dafür alles zu geben. Die Begeisterung, die Absicht bzw. Motivation und die Vision sind die Zutaten für erfolgreiche Teamzusammenarbeit. Wenn all diese Faktoren in großem Maße entwickelt und gefördert werden, drückt sich dies in einem Bewusstseinszustand aus. Dieser lässt sich erspüren. Ein Modell kann diese Parameter kaum adäquat abbilden. Dafür benötigt es das Gespür eines jeden einzelnen Teammitgliedes. Selbstreflexion zu betreiben, fördert die Analyse der eigenen Wahrnehmung und der Gefühle, um sich im Team gegebenenfalls konstruktiv einbringen zu können.
In der Realität wird das womöglich nicht ausreichend praktiziert, aber die Modelle geben einen Anhaltspunkt wie man vorgehen kann. Allem voran sei allerdings der Wille genannt, sich der Herausforderung zu stellen, ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Mitglied einer Gruppe zu werden und in dieser zum Vorteil aller aktiv zu wirken. Das Zusammenspiel von individueller Motivation und der daraus folgenden Handlungsbereitschaft, lässt sich schwer in ein Modell gießen. Modelle, wie das Teamrollenmodell nach Belbin oder das Rangdynamikmodell nach Schindler, sind nützliche Hilfsmittel, um sich in den jeweiligen Positionen und Rollen, die man gegebenenfalls selbst in bestimmten Situationen einnimmt, zu verstehen – oft sind es mehrere oder sogar widersprüchliche Rollen. Diese individuellen Rollenbilder lassen sich wiederum als Metaphern interpretieren, wodurch bestimmte Aspekte der Interaktion zum Ausdruck kommen.
Konfliktfähigkeit und soziale Kompetenz
Diese Abhandlung will zur Förderung der individuellen Konfliktfähigkeit beitragen. Konfliktfähigkeit als Kompetenz ist für Manager wie auch für Teammitglieder gleichermaßen von Bedeutung, um herausfordernde Situationen zu meistern. Mittels modellartiger Herangehensweise zur Bestimmung der individuellen Möglichkeiten und Grenzen der Beeinflussung in Teamstrukturen kann diese Kompetenz trainiert und verbessert werden. Die bedeutendsten Erkenntnisse werden allerdings auf dem praktischen Weg der Erfahrung, durch die erfolgreiche Bewältigung von Konfliktsituationen im beruflichen wie privaten Umfeld, gewonnen. Rivalität als Modell und Rollenbild kann schließlich durch das viel stärkere Motiv der Kooperation abgelöst werden. Die Kooperationsfähigkeit ist ein Erfolgsprinzip unter eigenverantwortlichen wie autonomen Akteuren – Stichwort Empowerment. Über Empowerment lässt sich sowohl die Leistungsbereitschaft und Motivation als auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigern. Schließlich fühlen sich die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vermehrtem Maß wertgeschätzt, was wiederum zu gesteigerter Identifikation mit dem Unternehmen und den Unternehmenszielen führt. Konflikte wirken unter konfliktfähigen Menschen als Innovationsfaktoren anstatt sich zu destruktiven Kräften aufzubauen. Der Konflikt, als unvermeidbarer Wegbegleiter des Lebens, entfaltet in diesem Szenario seine volle konstruktive und stärkende Wirkung als Chance und Wegweiser.